Im Jahr 2017 erschien in einer kleinen Auflage mein Buch über den
Historischen Walfang im Nordmeer, an dem die Borkumer Seeleute als
„Arbeitsmigranten“ einen bedeutenden Anteil hatten.
„Borkumer auf Walfang – Nach den
Logbüchern des Commandeurs Roelof Olferts Meeuw“
Ausführung Hardcover, 326
Seiten, Format 17 x 24 cm, Preis 29,80 €.
Die Auflage geht nun zu Ende. Das Buch
wird nicht wieder neu aufgelegt!
Falls Sie an dem Buch interessiert sind, wenden Sie sich bitte an den
Verfasser/Herausgeber und sichern Sie sich bei ihm eines der letzten
Exemplare der kleinen Auflage!
fon
+49 4922 932562
mob +49 170 5502928
Buchbesprechung:
Rezension des Buches von
Gregor Ulsamer:
Borkumer auf Walfang.
Nach den Logbüchern des Commandeurs Roelof Olferts Meeuw.
Borkum: Selbstverlag 2017,
ISBN 978-3-00-057205-0, 323 S., zahlr.
z.T. farb. Abb., kart.
Im Oldenburger Jahrbuch 2020, durch den
ehemaligen Leiter des Niedersächsischen Staatsarchivs, Außenstelle
Oldenburg,
Prof. Dr. Gerd Steinwascher:
Wenn in der Hochzeit des arktischen Walfangs, im Jahre 1770, 20-25
Borkumer als Kapitäne von Walfangschiffen und 150-200 weitere Borkumer
Männer als Besatzungsmitglieder unterwegs waren, dann kann man
ermessen, welche Bedeutung der Walfang für die westlichste der
ostfriesischen Inseln hatte. Borkum lebte im 17. und 18. Jahrhundert
von der Seefahrerei im Dienste kapitalkräftiger Geschäftsleute in
Emden und in der für Borkum durchaus nahen Handelsmetropole Amsterdam.
Auch Hamburg war für Borkumer ein wichtiger Ausgangshafen für den
Walfang. Ungefährlich war der Job gerade auf Walfängern nicht. An den
Rand des Polareises nach Grönland oder Spitzbergen zu segeln, war
etwas anderes, als heute auf einem Kreuzfahrtschiff die vor sich hin
schmelzenden Gletscher zu bewundern. Die Walfänger wurden aber nicht
nur durch schlechtes Wetter und das unberechenbare Polarmeer bedroht,
sondern waren in den häufigen Kriegszeiten der Kaperung durch
englische Kriegsschiffe oder durch von der Krone legitimierte
Kaperschiffe ausgesetzt. Letzterem Umstand verdankt der Autor freilich
seine wichtigsten Quellen.
Bei der Kaperung wurden die schriftlichen Unterlagen der gekaperten
Schiffe als Beweismittel für das in England notwendige
Gerichtsverfahren genutzt. Der im Archiv der Admiralität aufbewahrte
Bestand im TNA (The National Archives) in London, der in den nächsten
zwei Jahrzehnten in Oldenburg über das Prize Papers Projekt
(http://www.prizepapers.de/) aufgearbeitet werden wird, ist die
wichtigste Fundgrube des Autors, der freilich auch weitere Archive (so
das Niedersächsische Landesarchiv in Aurich und Oldenburg und das
Stadtarchiv Emden) heranzog. Eine wichtige Quelle für die
genealogischen Bezüge der Arbeit waren die Borkumer Kirchenbücher.
Der Autor ist kein Fachhistoriker, hat sich aber umfassendes Wissen
angeeignet und ist zudem durch seine langjährige Tätigkeit in der
Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in manchen Bereichen für das
Thema eher Fachmann als der gelernte Historiker. Das Buch ist für ein
breites Publikum geschrieben, enthält aber einen wissenschaftlichen
Anmerkungsapparat. Die Darstellung ist fein gegliedert. Nach
einleitenden Kapiteln, in denen auch der Seeraum, die Schiffe und der
Grönlandwal, also die Beute, abgehandelt werden, geht der Autor
chronologisch die Jahre von 1769 bis 1797 durch, für die ihm Quellen
vorliegen. Danach kam der Walfang durch die Kontinentalsperre zum
Erliegen, für die Walbestände des Nordpolarmeeres sicherlich eine
dringend notwendige Phase der Erholung.
Deutlich gemacht wird im einleitenden Teil, wie schwierig die
Navigation war — Nullmeridian für die Berechnung der Längengrade war
für die holländischen Schiffe bis 1826 nicht Greenwich, sondern der
Pico del Teide auf Teneriffa! Schon die Abreise aus Amsterdam durch
die Zuidersee war eine Herausforderung und ohne einen erfahrenen
Seelotsen kaum zu bewältigen. Bei ungünstigem Wetter konnte sie lange
dauern, südlich vor Texel gab es dann die Gelegenheit, vor der
Weiterfahrt über die Nordsee ins Polarmeer nochmals auf Reede zugehen.
Die Schiffe waren mit Lebensmitteln und Walfanggerät vollgestopft, die
zum größten Teil deutsche Besatzung war bunt gemischt und oft aus
norddeutschen Territorien (bis Minden oder Osnabrück) stammend. Die
Reise begann im April, bei günstigen Bedingungen war man im Mai im
Zielgebiet, wo man im eisfreien Gebiet auf Fang gehen konnte. Die
Eisverhältnisse waren natürlich ganz anders als heute, ein Landgang
auf Spitzbergen war oft ausgeschlossen. Dabei war das dort im Sommer
wachsende Löffelkraut ein wichtiges Nahrungsmittel gegen Skorbut.
Bevorzugte Beute war der Grönlandwal, der freilich in den Buchten
Spitzbergens um 1700 schon kaum noch vorkam. Die Gefährdung der
Walbestände hat also eine vielleicht überraschend lange Geschichte.
Der Autor lässt, wo es eben geht, die Quellen (gedruckte wie
ungedruckte) sprechen, die er z.T. aus dem Englischen bzw.
Niederländischen übersetzt hat. Sie zu lesen, ist wirklich
beeindruckend. Sie schildern drastisch, wie gefährlich die Fahrten
waren, wie häufig Schiffe allein durch Eisgang verlorengingen, wie
viele Walfänger ihr Leben lassen mussten. Die Fangergebnisse waren
sehr unterschiedlich. Zwei Wale pro Schiff waren ein passables
Ergebnis. Trotz aller Unbilden war der Walfang so einträglich, dass
man kein Risiko scheute. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
war im Frühling und Sommer im Seeraum von Spitzbergen vielleicht mehr
Betrieb als heute. Im Juni 1779 konnte Kapitän Meeuw laut Logbuch 36
andere Walfängerschiffe von seiner Position ausmachen! Hinderlich
waren die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Niederlanden
und England, die 1781 und 1782 ein Auslaufen von Walfangschiffen aus
den Niederlanden verunmöglichten. Kapitän Meeuw ließ sich vom Borkumer
Pastor eine Geburtsurkunde ausstellen, die ihn als preußischen
Untertan auswies. Ein ganz anderes Problem entstand durch die
Vulkanausbrüche auf Island in den Jahren 1783 bis 1785, wodurch sich
das Klima sehr kurzfristig abkühlte.
Ausschlaggebend für das Schicksal des niederländischen Walfangs war
aber die Errichtung der Batavischen Republik, eines napoleonischen
Satellitenstaates, die 1795 ein weiteres Auslaufen von Schiffen
erschwerte. Die Walfangflotte musste neutralisiert, d. h. umgeflaggt
werden. Schon zuvor hatten sowohl Preußen wie auch das Herzogtum
Oldenburg Interesse gezeigt, in den Walfang einzusteigen. 1796 fuhr
auch Kapitän Meeuw unter preußischer Flagge, d.h. sein Schiff erhielt
einen Emder Seepass. Tatsächlich überstand der Kapitän mit seinem
Schiff im August 1796 und auch 1797 bei Texel eine Überprüfung durch
die Royal Navy. 1798 war aber Schluss mit dem Spiel, das die Briten
natürlich durchschauten. Sie nahmen in diesem Jahr die Walfänger als
Prisen, auch Kapitän Meeuw erlebte dies bei seiner Rückkehr aus dem
Polarmeer, musste allerdings aufgrund seines preußischen
Geburtsnachweises nicht in Gefangenschaft. Für die Walfänger bedeutete
diese strikte britische Politik das Ende ihrer Tätigkeit, für die
Nachwelt hat die penible britische Konfiszierung von Hab und Gut
feindlicher Schiffe einen Vorteil: Es ist ein Quellenfundus erhalten,
der — wie in diesem Fall den Walfang des 18. Jahrhunderts
dokumentiert.
Man darf Gregor Ulsamer dankbar sein, dass er diesen Quellenschatz
ausgewertet und publiziert hat.
Gerd Steinwascher